Zunächst sei erwähnt, dass es in der heutigen Zeit immer mehr auf den/die Einzelne/n selbst ankommt. Dies entspricht dem allgemeinen Trend der höheren Eigen- und Ergebnisverantwortung von Mitarbeitenden im Kontext von flacheren Hierarchiestufen und hybridem Arbeiten. Für stetes Lernen müssen Mitarbeitende intrinsisch motiviert, neugierig, offen und diszipliniert sein sowie proaktiv vorgehen. Dieser Fakt soll allerdings nicht das Management, die Führungsperson und HR von jeglicher Verantwortung befreien. Sie kümmern sich in erster Linie um geeignete Rahmenbedingungen (z.B. Zugang zu relevanten Lerninhalten, Schaffen von Freiräumen fürs Lernen, Übertragung von Verantwortung, Entwickeln einer positiven Fehlerkultur) und die Motivation zum kontinuierlichen Lernen (z.B. Vorleben, Wertschätzung geben für Lernerfolge).

Für den/die Lernende/n gibt es unterschiedliche Lernstrategien, die in Bereiche wie Organisationstechniken, Ressourcenmanagement oder Selbstregulationstechniken eingeordnet werden können. Da die Beschreibung dieser Strategien ein Fachbuch erfordern würden, will ich mich in diesem Artikel auf den übergeordnet effektivsten Ansatz für nachhaltige Verhaltensverbesserungen durch Lernen fokussieren. Dieser Ansatz lässt sich mit den Worten Inspiration-Anwendung-Wiederholung zusammenfassen.

Beginn jeder Lernreise ist die Inspiration. Diese kann über verschiedenste Impulsgeber vermittelt werden: Coaches, Lernprogramme, Bücher sowie Alltagsgespräche. Die bloße neue Idee, die ich über diese Quellen erhalten habe, wird jedoch nicht zu effektiven Verhaltensänderungen führen, wenn ich diese nicht für mich selbst und in der Praxis anwende. Schon Albert Einstein sagte: “Lernen ist Erfahrung, alles andere ist Information”. Auch wenn ein gutes theoretisches Fundament hilfreich ist, so muss ich doch stets eigene praktische Erfahrungen sammeln, um eine neue Überzeugung bilden zu können, die zu neuem Handeln führt.

Man stelle sich einen Vertriebler in einem Vertriebsseminar vor. Er wird in dem Seminar zahlreiche Vertriebstaktiken lernen, die laut Theorie erfolgsversprechend sind. Was aber funktioniert in seiner Verkaufssituation, die durch extrem viele Parameter beschrieben ist? Wie z.B. das zu verkaufende Produkt, den Vertriebsort, ggfs. das Wetter, der Vertriebsperson bzw. ihren Eigenschaften etc. Was funktioniert tatsächlich in der Realität?

Er braucht Praxiserfahrungen. Wenn der Vertriebler nun als Aufgabe hat, an einem Straßenstand ein Produkt zu verkaufen, wird er zuvor gelernte Vertriebs- und Ansprachetechniken ausprobieren. Zunächst mag er scheitern, doch der nächste Versuch - die Ansprache mit einem Lächeln - funktioniert! Ein Aha-Erlebnis, das in der Fachsprache „Lernen durch Einsicht“ genannt wird: Ein Sachverhalt wir in seiner Bedeutung und seinem Ursache-Wirkung-Zusammenhang verstanden. Das Lernen durch Einsicht ist der sprunghafte Übergang in den Lösungszustand nach anfänglichem Versuch-und-Irrtum-Verhalten. Das Aha-Erlebnis kann zu einer neuen Überzeugung führen und bietet die Chance, eine neue effektive Praktik zu verstetigen und in den eigenen Lebensstil zu integrieren. Nun geht es darum, durch Wiederholungen eine neue effektive Gewohnheit zu etablieren, sonst wird die neue Erkenntnis nicht wirksam werden.

Die Bedeutung von Gewohnheiten ist hinlänglich bekannt. Gewohnheiten sind mächtig, weil sie häufig angewendet werden sowie nach einer Weile in Fleisch und Blut übergehen und automatisch ablaufen. Das Unterbewusstsein reproduziert dann routinemäßig bestimmte Verhaltensweisen und damit stabile Ergebnisse. Wenn man sich bewusst positive Gewohnheiten wie regelmäßiges Lesen (fördert die Kommunikationsfähigkeiten), Führen eines Dankbarkeitstagebuchs (fördert die mentale Gesundheit) oder Joggen (fördert die physische Gesundheit) antrainiert, stellen Gewohnheiten das "stabile Gute" dar und sind der wahre Hebel zur eigenen Potenzialentfaltung für mehr Glück und Erfolg. Es ist gerade nicht das stete Streben nach „mehr“, was uns glücklich werden lässt, sondern das Erlernen und dann die Verstetigung der gewünschten Verhaltensmuster. Zumal das Abrufen einer Gewohnheit einem Flow gleichkommt, der Sorgen und Ängste ausschließt.

Doch wie können neue Gewohnheiten entwickelt werden? Positive Gewohnheiten vereinen die im folgenden beschriebenen Prinzipien, die auch für das effektive Lernen essenziell sind. Anders formuliert: Wenn diese Lernprinzipien beherzigt und angewendet werden, stellen sich der Lernerfolg und neue Gewohnheiten (z.B. für effektiveres Arbeiten) ein.

 

1. Fokus

„Sonnenstrahlen brennen erst, wenn sie fokussiert werden“, sagte Alexander Graham Bell, britischer und später US-amerikanischer Sprechtherapeut, Erfinder und Großunternehmer. In Zeiten von Social Media und unzähligen Optionen, ist die Fokussierung auf das Wesentliche von entscheidender Bedeutung, um Bestleistungen in einer Disziplin zu erzielen und zufrieden zu sein. Alles andere kann ausgeblendet oder muss sogar „geopfert“ werden.

 

2. Wille

Der Wille, ein Ziel zu erreichen, ermöglicht eine Fokussierung und das Ignorieren alternativer Optionen. Er ist unsere zentrale Antriebskraft und funktioniert wie ein Muskel: er kann nicht dauerhaft so ausgeprägt sein, wie wir es wünschen, er braucht Erholungen. Daher heißt es, nicht aufgeben, sondern Vorausplanen, für die Zeit, wenn der "Wille-Muskel" wieder leistungsfähig ist. Der Wille wird unter anderem durch folgende Faktoren positiv beeinflusst:

  • Sinn: Je mehr Sinn wir in einer Sache sehen, umso größer ist der Wille. Studien haben gezeigt, dass Abnehmen besser funktioniert, wenn man auch einen medizinischen Sinn im Abnehmen sieht und nicht nur einen kosmetischen.
  • Gesellschaft: Als soziale Wesen fällt uns Veränderung häufig leichter und wir haben mehr Freude, wenn wir Dinge gemeinsam angehen.
  • Ausgeglichenheit: Stress würde den Willen für langfristige Ziele und mehr Produktivität (im Vergleich zu kurzfristigen Wohltaten) schwächen und eventuell in alte negative Gewohnheiten zurückführen. Meditationen helfen, Stress zu vermeiden.

 

3. Wiederholungen

Man wird, was man wiederholt! Unsere Neuronen sind definitiv erziehbar und können gewünschtes Verhalten verstetigen. Je mehr wir von einer Sache machen, umso einfacher können wir später gleiche und ähnliche Tätigkeiten ausführen. Wiederholungen wirken nicht sofort, aber sie potenzieren sich über die Zeit. Seitdem der Schönheitschirurg Maxwell Maltz feststellte, dass es durchschnittlich 21 Tage brauchte, bis seine Patienten sich an ihre neue Nase gewöhnten, wird häufig davon ausgegangen, dass es 21 Wiederholungen bedarf, um eine neue Gewohnheit zu entwickeln. Viele Studien wurden inzwischen durchgeführt, um herauszufinden, ob diese Zahl auch für andere Adaptionsvorgänge richtig ist. Bisher konnte kein Konsens unter den Wissenschaftlern erzielt werden – auch weil eine Messung der Gewohnheitsentwicklung nicht dem Schema 0/1 beziehungsweise nicht-entwickelt/entwickelt gehorcht. Die Anzahl von Wiederholungen variiert zudem von Person zu Person, der Art der Gewohnheit sowie der Taktung der Wiederholungen (zu lang gewählte Abstände sind weniger effektiv). Entscheidend ist also, dass man dranbleibt!

 

4. Einfacher Start

Um neue Gewohnheiten zu bilden, müssen wir in der Lage sein, Neues zu lernen und Altes zu verlernen. Insbesondere die ersten Schritte sollten nicht zu schwer sein, damit „der Stein ins Rollen kommt“ und die Motivation nicht schwindet. Wenn wir das Ziel haben, gesünder zu leben, können wir damit anfangen, 21 Tage lang zwei Liter Wasser zu trinken, indem wir eine wiederauffüllbare Flasche Wasser gut sichtbar auf den Schreibtisch stellen. Detailliertere Gewohnheiten, die das gleiche Ziel fördern, wie zum Beispiel gesund und vielseitig kochen, können dann später ergänzt werden, wenn der erste Erfolg erzielt wurde.

 

5. Reize

Für eine Verhaltensänderung müssen wir Reize hierzu verspüren. Reize, damit wir anfangen und Reize, damit wir dranbleiben. Externe Impulse und Erinnerungen sind hierfür äußerst wichtig. Coaches können gerade zu Beginn eines Lernprozesses wertvollen Input geben. Um die Verbindlichkeit zu erhöhen, kann auch ein Freund oder eine Freundin in den Lernprozess integriert werden. Eine Fitness-Gewohnheit zum Beispiel kann man auch gemeinsam entwickeln. Wir sollten aber nicht unterschätzen, wie stark unser unmittelbares Umfeld uns leitet. Die Schokolade auf dem Tisch, die Social Media App auf dem Display oder der große und gut sichtbare Fernseher im Wohnzimmer. Man sollte seine Umgebung also möglichst von negativen Einflüssen befreien und positive Trigger integrieren. So kann das Buch, das ich schon lange lesen wollte, die Schokolade auf dem Tisch ersetzen. Ebenso bieten sich Erinnerungen mittels Notizzettel oder dem Handy an.

 

6. Belohnungen

Spätestens seit dem Pawlowschen Hund – ein Experiment des russischen Forschers und Nobelpreisträgers für Medizin Iwan Petrowitsch Pawlow zum Nachweis der klassischen Konditionierung – wissen wir, dass Belohnungen Verhalten verstärken. Belohnungen können sein: gutes Essen, schöner Ausflug oder Ähnliches. Die konkrete Belohnung muss im Kontext individueller Vorlieben definiert werden und ist flexibel. Man kann die Belohnung aber auch thematisch passend wählen. Wenn es das Ziel war, kreativer zu werden und wir haben hierfür 21 Tage lang oder 21 Mal eine Kreativ-Technik angewendet, kann ich mich mit dem Besuch einer Kunstgalerie belohnen.

 

Schon John D. Rockefeller sagte: „Ziele ohne Gewohnheiten sind bloß Wünsche. Gewohnheiten ohne Ziele sind ohne Zweck.“ Na dann, los! Und gerne mit der 21done App, welche die Entwicklung neuer Gewohnheiten in den fünf entscheidenden Wachstumsbereichen und Future Skills des folgenden Schaubilds ermöglicht:

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Neues Lernen
Thomas Suwelack
Post by Thomas Suwelack
Jul 28, 2024 3:46:24 PM
Gründer von 21done